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30 Jahre lang wegen Arglist anfechtbar

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Aktuelles Urteil für Finanz-Branche: Irreführender MEL-Werbeprospekt ermöglicht 30-Jahre lang Arglist-Anfechtung der Anleger


Neue Hoffnung gibt es für geschädigte Anleger in der Causa MEL, Meinl European Land. Ein aktuelles Urteil des OLG Wien (5 R 272/12z - zum Nachlesen hier klicken...) gegen die Meinl Bank entschied zu Gunsten der Klägerin.
Die Konsequenz: Man kann den Erwerb der MEL-Papiere wegen Arglist anfechten. Eine Geltendmachung ist 30 Jahre lang möglich, schreibt der VKI (Verein für Konsumenteninformation ) auf seiner Homepage.


Der Grund: Im MEL-Werbeprospekt ist irreführend von besonders sicheren Aktien die Rede, während es sich um Zertifikate handelt.
Worum ging es im konkreten Fall?
Die Klägerin hatte 2006 und 2007 von der beklagten Meinl Bank insgesamt 1500 MEL-Papiere erworben, im Vertrauen auf den guten Namen Meinl und den Werbeprospekt, der die Anlage als „besonders sichere österreichische" Aktie und Immobilieninvestment darstellte. „Beides ist nach dem OLG Wien, das die Entscheidung des Erstgerichts bestätigte, irreführend: In Wahrheit erwarb die Anlegerin hochriskante Zertifikate. Sie sei von der Meinl Bank getäuscht worden und kann den Erwerb anfechten. Wegen Arglist der Beklagten gilt dafür eine Frist von 30 Jahren", so der VKI.

Und weiter: „Dass dem Erwerb eine (zusätzliche) Fehlberatung durch die Meinl Success voranging, eine 100 %-Tochter der Meinl-Bank, ändere daran nichts. Obiter führt das OLG Wien vielmehr aus, dass die Fehlberatung aufgrund des wirtschaftlichen Naheverhältnisses und der ständigen Vertriebsbeziehung nach neuer OGH-Judikatur (4 Ob 129/12t - zum Nachlesen hier klicken...) der Meinl-Bank ohnehin zurechenbar wäre.  
Dass die Beklagte bewusst vermied, die Papiere als Zertifikate zu bezeichnen, sei eine vorsätzliche Täuschung, die - unabhängig davon, ob damit im Vergleich zum Erwerb von Aktien Nachteile für die Anlegerin einhergehen - schon deshalb zur Arglistanfechtung berechtigt, weil die Anlegerin die Papiere "aufgrund ihrer komplizierten Konstruktion und Unübersichtlichkeit nachvollziehbar abgeschreckt" nicht erworben hätte."
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Das OLG Wien hat die ordentliche Revision nicht zugelassen.

Die beiden Urteile finden Sie hier zum Nachlesen:

  • OLG Urteil zu „irreführender MEL-Werbeprospekt, 30-Jahre lang Arglistanfechtung der Anleger" 5 R 272/12z hier klicken…

  • OGH-Urteil zu „wirtschaftlichen Naheverhältnis" 4 Ob 129/12t hier klicken…


Nähere Erläuterungen zum juristischen Background kann man ebenfalls auf der VKI-Homepage finden und zwar folgemde:

„Anmerkung: 1. Die rechtliche Konstruktion von Aktien und Zertifikaten (ADC - Austrian Depositary Certificates) unterscheidet sich grundlegend: Aktien begründen ein unmittelbares Mitgliedschaftsverhältnis zur Gesellschaft. Die von der Oesterreichischen Kontrollbank (OeKB) ausgegeben Zertifikate dagegen bilden die Anteilseignerstellung nur auf schuldrechtlichem Weg nach und ermöglichen die Handelbarkeit ausländischer Namensaktien an der österr Börse (dazu zB Kalss, ÖBA 2009, 350; Schima, RdW 2008, 572).

2. Zur Frage, ob Zertifikate ein aliud im Vergleich zu Aktien darstellen, deren Lieferung die Meinl Bank als Verkäuferin in Verzug setzt und damit dem Anleger als Käufer die Geltendmachung mittels Rücktritt für 30 Jahre (oder überhaupt unbefristet) eröffnet, hatte der OGH bereits Ende 2011 Stellung genommen und dies im Ergebnis verneint mit der Begründung, schon nach der Vertragsauslegung seien Zertifikate geschuldet (4 Ob 93/11x). In der Literatur war die Frage strittig: vgl Riedler, ÖJZ 2011/79 und Wilhelm, ecolex 2011, 1073 einerseits; Schauer, RdW 2011, 3 andererseits; differenzierend Vonkilch, RdW 2011, 718; Leupold, Zak 2012, 23; Geroldinger/Radler, JBl 2012, 175.

Mit dieser Jud steht die vorliegende E des OLG Wien nicht im Widerspruch: Ob der Vertrag wegen Irrtums über den Charakter des Wertpapiers (Zertifikat vs Aktie) angefochten werden kann, hängt weder zwingend davon ab, ob ein aliud vorliegt bzw Verzugs- oder Gewährleistungsrecht anwendbar ist, noch davon, was nach der Auslegung des Vertrags geschuldet ist.

3. Im konkreten Einzelfall sind sowohl die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen zur Kausalität der Aktieneigenschaft für den Erwerbsentschluss der Anlegerin als auch zum Vorliegen von Arglist nach Verwerfung der Beweisrüge durch das Berufungsgericht nicht mehr revisibel: Beides sind Tatfragen, die vom OGH nicht überprüft werden können (§ 503 ZPO).

4. Die Zurechnung der Meinl Success als sog "Pseudoberater" an die den Kaufauftrag ausführende und depotführende Meinl-Bank analog § 43a VersVG hatte das OLG Wien unter Verweis auf 4 Ob 129/12t ua bereits zu 4 R 326/12h = VRInfo 2013, H3, 2 bejaht."

Foto: Justitia_aboutpixel.de, Fotograph Burkhard Trautsch

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